Bahnhof Aathal

Die heutige Bahnhofsanlage im Aathal ist in drei Etappen zwischen 1863, 1883 und 1989/92 entstanden und bildet neben der Lokremise in Uster einen wichtigen bahngeschichtlichen Zeugen im Zürcher Oberland. Eindrückliche Spuren stammen aus der Eisenbahnpionierzeit der Glatttalbahn und der Industrialisierung im Aathal: das um 80 m talabwärts verschobene, alte Stationsgebäude mit Güterschuppen aus dem 19. Jahrhundert und das mechanische Stellwerk mit den beiden Läutwerken aus der Jahrhundertwende. Im 20. Jahrhundert kamen die moderne Haltestelle, der 265 m lange Eisenbahntunnel der SBB und die Strassenüberführung hinzu. Der Niveauübergang, viele Geleise und sieben der acht Weichen sind 1990 entfernt worden.
Im Konkurrenzkampf der Textilindustrien untereinander spielten die Frachtkosten für Baumwollballen, Garnspulen oder Stoffe eine immer wichtigere Rolle. Aus diesem Grunde drängten lokale Unternehmen auf den Bau einer Eisenbahn nach Zürich, denn dort bestand seit 1847 bereits die Verbindung nach Baden (Spanischbrötli-Bahn) mit der Option einer Verlängerung nach Basel und dem Anschluss an das internationale Eisenbahnsystem. Diese kam erst 1858 zustande.
Am 29. Juni 1853 erteilte der Grosse Rat des Kantons Zürich, unterstützt vom Gemeinderat von Uster und gegen den Willen des Regierungsrats, die Konzession für die Glatttalbahn. Ein Jahr später stand das Kapital bereit, sodass die Bauarbeiten für den Streckenabschnitt Wallisellen–Uster 1855 ausgeschrieben werden konnten. Am 1. August 1856 wurde die Strecke eingeweiht. Die Verlängerung nach Wetzikon, die sogenannte «Aatalbahn», konnte am 9. November 1857 dem Verkehr übergeben werden, die Weiterführung nach Rapperswil erfolgte zwei Jahre später.
Bei der Industriesiedlung Aathal entstand 1857/59 ein kleines, provisorisches Stationsgebäude mit Büro, Wärterraum und Wartsaal. 1863 entschloss sich die Direktion des VSB ein neues, normiertes Güterstationsgebäude zu errichten, das gleichzeitig auch dem Personenverkehr dienen musste. Der sorgfältig gezimmerte Bau weist eine Konstruktion mit Fachwerkgiebelwänden und zwei Bindern auf. Die First- und Zwischenpfetten sind auf der freien Giebelseite mit Zierbügen versehen. 1883 erfolgte ein verputzter zweigeschossiger Anbau mit Satteldach an die bestehende Güterstation. Im Erdgeschoss entstand ein Wartsaal und im Obergeschoss richtete man eine Wohnung für den Stationsvorstand ein. Eine Bahnhofsuhr und Auslegerlampen gehörten zur Aussenausstattung. 1955/56 kam ein Flachdachbau mit WC-Anlagen, Telefonkabinen und einem Unterstand für Velos und Postwagen dazu. Heute ist der Bahnhof umgenutzt.
Stellwerk und Gleisanlagen
Von besonderem technikgeschichtlichem Zeugniswert sind die beiden Stellwerkausstattungen, ein mechanisches aus dem Jahr 1912 den 1950er/60er-Jahren. Beide wurden durch die SBB erstellt und stehen in einem Gebäude in Eisenkonstruktion mit flach geneigtem Satteldach, genieteten Blechwänden und filigranen Eisensprossenfenstern. Ebenso bedeutend ist die Sicherungsanlage von 1912 mit zwei Einzelschläger-Läutwerken mit Einzel- und Doppeltönen.
Die Gleisanlagen wurden in mehreren Etappen erweitert mit einem verlängerten Kreuzungsgleis, einem dritten Auszugsgleis und insgesamt vier Stumpengleisen, wovon zwei vor das bergseitige ehemalige Lagerhaus der Spinnerei Streiff AG führten. Im Endausbau gab es acht Weichen.
Im Zusammenhang mit dem S-Bahn-Ausbau 1990 wurden die Geleise verlegt, eine neue Haltestelle Aathal und ein 265 m langer Tunnel gebaut. Der Niveauübergang zwischen Aathal und dem Dorfteil Sack wurde aufgehoben und durch eine neue Strassenüberführung mit Trottoir über die Geleise ersetzt. Die Geleiseanlagen des alten Bahnhofs trugen die SBB 1990 bis auf das Gleis 1 und ein Stumpengleis zum ehemaligen Streiffschen Lagerhaus ab. Somit konnten die acht Weichen auf eine reduziert werden. Das alte Trassee zwischen dem ehemaligen, noch weitgehend erhaltenen Bahnhof und der Einmündung in die neue Strecke Aathal–Uster entfernte man vollständig.
Literatur
Akten Kantonale Denkmalpflege
M. Köhler, Uster, vom Fabrikdorf zur Stadt, Uster 2005.
E. Andraskay, Spritzbauweise im Lockergestein: Anwendung am Beispiel des Tunnels Aathal der Zürcher S-Bahn. In: SBZ 109/1991, S. 1040–1043.
W. Stutz, Bahnhöfe der Schweiz, Zürich 1983.
(Claudia Fischer-Karrer, 2024)